[SAV-newsletter] Wahlerfolge für Kandidaturen gegen Sozialraub in Aachen und Köln
SAV Zentrale
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Di Sep 28 13:48:02 CEST 2004
Liebe Freunde und Freundinnen der SAV, liebe GenossInnen und Genossen,
bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen am gestrigen Sonntag
(26.9.) eroberten die Wahlbündnisse "gemeinsam gegen sozialraub" in Köln
und "Gemeinsam gegen Sozialkahlschlag" in Aachen jeweils einen
Stadtratssitz! Nach einem langem, aktiven Wahlkampf der Wahlbündnisse
gegen Hartz IV, Privatisierung, Stellenabbau und Neonazis sind zwei
Stadtratssitze ein sehr guter Erfolg! Die SAV hatte die Initiative zur
Gründung beider Wahlbündnisse ergriffen, um gemeinsam mit Beschäftigten,
Erwerbslosen, Jugendlichen und anderen linken Gruppen den Menschen in
Aachen und Köln eine Alternative zu den etablierten, prokapitalistischen
Parteien anzubieten. Die SAV mobilisierte zur Unterstützung des
Wahlkampfs Mitglieder aus vielen verschiedenen Städten Deutschlands.
Auch Mitglieder aus Frankreich, Österreich und anderen Sektionen des CWI
(Komitee für eine Arbeiterinternationale, deren deutsche Sektion die SAV
ist) unterstützen die Wahlkämpfe.
Die gewählten Stadträte, Marc Treude in Aachen und Claus Ludwig in Köln,
sind Mitglieder der SAV. Die Wahlerfolge in Köln und Aachen knüpfen an
den Wahlerfolg der SAV/Liste gegen Sozialkahlschlag in Rostock vom 13.7.
an. Dort konnten wir durch einen Antrag im Stadtrat bereits erreichen,
dass die Privatisierung der Rostocker Südstadtklinik um ein Jahr
verschoben wird. Ähnliche Anträge gegen Privatisierung, Hartz IV und
andere Kürzungen werden zur Zeit in Aachen und Köln vorbereitet. Ob aber
weitere Erfolge in Aachen, Köln und Rostock erzielt werden können, hängt
entscheidend vom Widerstand ab, der sich in Betrieben und auf der Straße
gegen Sozialkürzungen bildet. Die SAV setzt sich dafür ein, dass die
Stadtratspositionen genutzt werden, um den Widerstand zu stärken.
Im Folgenden fügen wir Artikel über die Wahlerfolge in Aachen und Köln
ein, die in der Oktoberausgabe der Solidarität- Sozialistische Zeitung
(Zeitung der SAV) erscheinen werden. Um die Solidarität zu abonnieren,
um weiter über aktuelle Ereignisse und Analysen informiert zu werden,
schicken Sie bitte eine Email an redaktion at sav-online.de oder besuchen
Sie unsere Website unter www.sozialismus.info
Eine ausführliche Analyse der Kommunalwahlen in NRW wird in den nächsten
Tagen folgen.
Mit sozialistischen Grüßen
Lucy Redler
SAV Bundeszentrale
Wahlerfolge für Kandidaturen gegen Sozialraub
Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen: Neue Art von Opposition in Köln und
Aachen
Köln
In der viertgrößten Stadt in Deutschland errang das Bündnis „gemeinsam
gegen sozialraub“ bei den Kommunalwahlen einen Sitz im Stadtrat.
Gewählt wurde Claus Ludwig, der auch Mitglied der SAV ist.
Damit gibt es jetzt einen konsequenten linken Gegenpol im Stadtrat.
von Georg Kümmel, Köln
„Gemeinsam gegen sozialraub“ ist die einzige Stimme im Kölner Rat, die
jede Form von Sozialabbau ablehnt, die – anders als die PDS –
prinzipiell gegen jede Form der Zusammenarbeit mit den etablierten
Parteien ist. Für „gemeinsam gegen sozialraub“ gibt es Koalitionspartner
nur außerhalb des Rates: die Erwerbslosen und (Noch-) Beschäftigten, die
Jugendlichen und RentnerInnen, die alle von Hartz IV, Schließung von
Jugendzentren oder Gebührenerhöhungen betroffen sind. Zusammen mit ihnen
wird „gemeinsam gegen sozialraub“ den Sitz im Rat nutzen, um den Protest
auf der Straße zu organisieren.
Ungleicher Wahlkampf
2.253 Stimmen und der Einzug in den Rat sind ein großer Erfolg, auch
wenn alle MitstreiterInnen angesichts der großen Zustimmung an den
Infoständen ein höheres Ergebnis erwartet hatten. Aber der Wahlkampf war
ein sehr ungleicher Kampf. Für den Wahlkampf in der
Eine-Million-Einwohnerstadt hatten wir nur einen Mini-Etat von 6.000
Euro zur Verfügung, Infostände mussten wir zeitweise in Ermangelung
eines Wahlkampfautos per Handwagen durch die Stadt transportieren.
Wir waren zu Recht stolz auf unsere 1.300 Wahlkampfplakate, aber die
anderen Parteien hatten zusammen weit über 50.000 Schilder aufgehängt.
Gleichzeitig war der Medienboykott total. Acht Monate wurden wir
totgeschwiegen, zwei Wochen vor der Wahl dann in einem Artikel als
Spalter der Montagsdemo verleumdet und eine Woche vor der Wahl wurde in
einer gemeinsamen Erklärung von SPD, CDU, FDP und Grünen vor der Wahl
von rechten und linken Extremisten gewarnt und wir somit auf eine Stufe
mit Nazi-Parteien gestellt. Ohne Nennung von konkreten Namen wurde vor
„linksradikalen Demagogen“ gewarnt – auf unseren Wahlplakaten stand „Die
linke Alternative in Köln“. Sämtliche Gegendarstellungen, Leserbriefe,
Pressemitteilungen landeten im Mülleimer der Redaktionen.
Unsere Kundgebung gegen Freisprüche im Kölner Müllskandal, unsere
Protestaktionen vor und im Arbeitsamt blieben in Lokalpresse und
Lokalfernsehen unerwähnt.
Meldungen wie „Hund beißt Frau“ fand man in den Redaktionen ebenfalls
wichtiger als die Information, dass „gemeinsam gegen sozialraub“ an
Infoständen über 1.700 Unterschriften für die Forderung nach einem
kölnweiten Streik- und Protesttag gesammelt hatte. Einzig die kleine
taz-Köln berichtete über uns, allerdings auch nicht immer objektiv.
Allen Widerständen zum trotz sind wir, nur neun Monate nach unserer
Gründung, als neue Kraft in den Stadtrat eingezogen.
Kampagne gegen Nazi-Aufmarsch
Dass wir bei dieser Wahl die große Zustimmung an den Infoständen nicht
in noch mehr Stimmen umsetzen konnten, lag auch daran, dass viele
potenzielle WählerInnen von dem allgemeinen „Das bringt ja doch
nichts“-Gefühl ergriffen waren.
Wir werden auch mit Hilfe des Sitzes im Stadtrat beweisen: Sich wehren
bringt was. Noch am Wahlabend haben wir zusammen mit anderen
AntifaschistInnen gegen den Einzug von „Pro Köln“ protestiert. Als
Deutsche Liga haben „Pro-Köln“-Mitglieder (Rouhs und andere) Anfang der
90er Jahre ein Kopfgeld auf eine von Abschiebung bedrohte Roma-Frau
ausgesetzt. Der Dreifach-Mörder von Overath hat 1994 für die Deutsche
Liga kandidiert.
Wir mobilisieren weiter gegen den geplanten Nazi-Aufmarsch am 16.
Oktober in Köln-Kalk und wir werden mit an vorderster Front im Kampf
gegen Sozialabbau und kommunale Kürzungen stehen.
Vielleicht das wichtigste Ergebnis dieses Wahlkampfes: Es wurden neue
Mitstrei-terInnen gewonnen, für das Wahlbündnis und für die SAV.
(Alle Angaben laut vorläufigem amtlichen Endergebnis)
Aachen
Der Krönungssaal des Aachener Rathaus war am späten Abend des
Wahlsonntags bereits fast leer, als sich ein kleiner Demozug von 30 – 40
Leuten lautstark an diesem „heiligen“ Ort des Establishments Einlass
verschaffte. Plötzlich, wie aus einer Kehle, wurde skandiert: „Brecht
die Macht der Banken und Konzerne“ und „Hartz IV stoppen wir“. Die Szene
wurde live im Fernsehen übertragen! Es war eine Genugtuung, die
entgeisterten Gesichter der anwesenden Herren in ihren feinen Anzügen zu
sehen. An der Spitze der Demo stand Marc Treude neu gewälter Stadtrat
für das Wahlbündnis „Gemeinsam gegen Sozialkahlschlag“ und SAV-Mitglied.
von Gaetan Kayitare, Aachen
Angesichts der bescheidenen personellen und finanziellen Ressourcen war
der Wahlkampf sehr intensiv. Wir hatten nicht nur mit einem massiven
Presseboykott zu kämpfen, sondern auch damit, dass neben den etablierten
Parteien auch noch vier weitere Kandidaturen konkurrierten. Insgesamt
wurden von „Gemeinsam gegen Sozialkahlschlag“ 70.000 Flugblätter
verteilt und über 2.000 Plakate geklebt oder aufgehängt sowie
Wahlveranstaltungen in 18 von 29 Wahlkreisen durchgeführt. Täglich
fanden zwei bis drei Infostände statt.
Proteste gegen Hartz & Fischer
Wir haben die Montagsdemos massiv unterstützt, eine erfolgreiche
Protestaktion vor dem Arbeitsamt mit über 200 TeilnehmerInnen
organisiert und die Agentur für Arbeit in „Agentur für Armut“ umbenannt.
Das beste Auftreten hatte das Wahlbündnis beim Besuch vom grünen
Außenminister Joschka Fischer in Aachen: durchgehend ausgepfiffen musste
er nach 30 Minuten abziehen.
Mit Tausenden wurde diskutiert. Die allgemeine Resonanz, besonders auf
die Anti-Hartz- Kampagne, war gut. Zu den Sitzungen des Wahlbündnisses
kamen immer wieder neue Leute. Einige Dutzend sind dem Wahlbündnis
beigetreten. Die SAV gewann bis zum Wahltag vier neue Mitglieder.
Weitere haben ihren Eintritt angekündigt.
Das alles war aber nur möglich durch die SAV-Unterstützung aus anderen
Städten. Alle AktivistInnen des Wahlbündnisses anerkannten, welche Rolle
die SAV spielte.
Der Kampf geht nach dem Wahlkampf weiter
Die Wahlparty am 26. September begann in Erwartung mindestens eines
sicheren Sitzes. Als die erste Hochrechnungen reinkamen, war die
Enttäuschung in den Gesichtern abzulesen. Um so größer der Jubel Stunden
später. Alle sahen es so, wie es das neue Ratsmitglied Marc Treude
ausdrückte: „Jetzt werden Protest und Widerstand in den Rat getragen!“
Und man fackelte auch nicht lange, sondern formierte einen Demozug ins
Rathaus.
Noch in der gleichen Nacht wurden Pläne geschmiedet, wie die neu
eroberte Position genutzt werden kann. Anträge für die erste Ratssitzung
am 13. Oktober überlegt: Für die Aufhebung des Beschlusses, die GeWoGe /
Soziale Wohnungen zu verkaufen, und für Ablehnung von Hartz IV.
Wir haben zwar nur 785 Stimmen. Wir haben uns aber durch den Wahlkampf
eine starke Basis geschaffen, die zukünftige Erfolge garantieren wird.
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