[SAV-newsletter] Sozialismustage 2004: Ideen für den Widerstand

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Do Jun 3 15:08:16 CEST 2004


Auch im fünften Jahr in Folge waren die Sozialismustage der SAV ein 
voller Erfolg. Wie schon im Vorjahr waren 400 BesucherInnen gekommen, 
die an zweieinhalb Tagen auf über zwanzig verschiedenen Veranstaltungen 
debattierten und Erfahrungen austauschten. Diesmal stand die 
Veranstaltung unter dem Motto „Menschen statt Profite“. Neben der 
allgemeinen Auseinandersetzung mit sozialistischen Ideen stand die 
Diskussion um die Bildung einer neuen linken Partei in Deutschland und 
der Widerstand gegen Sozialkahlschlag und Lohnraub im Mittelpunkt des 
Wochenendes.
Wie jedes Jahr waren nicht nur TeilnehmerInnen aus der ganzen 
Bundesrepublik dabei, sondern viele internationale Gäste. Diesmal waren 
SozialistInnen aus Nigeria, Frankreich, Österreich, England, Tschechien, 
Belgien, Russland und Polen gekommen.

Auftaktveranstaltung

Die Auftaktveranstaltung am Freitag, den 28.5. war ein erster Höhepunkt. 
Begeistert waren die BesucherInnen vor allem von Tony Mulhearns Bericht 
über die Arbeit des sozialistischen Stadtrates in Liverpool in den 
Jahren 1983 bis 1987. Mulhearn selber war einer der Führer dieses 
marxistisch geführten Labour-Stadtrates und berichtete von den 
Arbeitsplätzen, die geschaffen und den Wohnungen, die gebaut wurden – 
und von den zehntausenden ArbeiterInnen, die immer wieder zur 
Unterstützung dieser Politik in Demonstrationen und Streiks mobilisiert 
wurden. Doch Mulhearn schwelgte nicht in Erinnerungen. Er berichtete 
auch von seinem Engagement für die Bildung einer neuen Massenpartei für 
die Arbeiterklasse in Großbritannien.
Virginie Prégny von der französischen Schwesterorganisation der SAV 
berichtete von Streiks und Bewegungen der französischen Arbeiterklasse.
Doch nicht nur internationale Themen wurden behandelt. Drei RednerInnen 
kamen aus dem gewerkschaftlichen Bereich und behandelten ausführlich die 
aktuellen Fragen, der die deutsche Arbeiterbewegung sich stellen muss. 
Erdogan Kaya, Vertrauensmann von der Berliner Verkehrsgesellschaft, 
berichtete von den Plänen ihm und seinen KollegInnen massiv die Löhne zu 
kürzen. Er betonte auch, dass die Kapitalisten ihre Macht durch die 
Spaltung der arbeitenden Bevölkerung sicher stellen und rief zum 
gemeinsamen Kampf von deutschen und nichtdeutschen ArbeiterInnen auf. 
Die nordhessische DGB-Vorsitzende Katharina Seewald beschäftigte sich 
mit dem Sozialkahlschlag der Bundesregierung und berichtete von den 
Arbeitsniederlegungen, die in Kassel erfolgreich organisiert wurden. 
Dort hatten am 9. Dezember des letzten Jahres über 7.000 Beschäftigte 
verschiedener Betriebe an einer Protestkundgebung während der 
Arbeitszeit teilgenommen. Den SAV-Mitgliedern im Saal rief sie zu: „Ohne 
Euch wäre das nicht möglich gewesen. Ihr seid wirklich klasse!“
Steffi Nitschke, SAV-Mitglied und Betriebsrätin am Klinikum Kassel, 
knüpfte daran an und kritisierte die Vorstände der Gewerkschaften für 
ihre Untätigkeit. Sie rief zur Bildung innergewerkschaftlicher 
Oppositionsgruppen in den Gewerkschaften, wie dem Netzwerk für eine 
demokratische und kämpferische ver.di, auf.
Lucy Redler vom SAV-Bundesvorstand bezog Stellung zur Initiative für die 
Bildung einer neuen Linkspartei und forderte, dass diese nicht nur 
demokratisch und kämpferisch sein müsse, sondern auch ein 
sozialistisches Programm brauche, um den anstehenden Aufgaben gerecht zu 
werden.
Zum Abschluss sprach der SAV-Bundessprecher Sascha Stanicic über die 
weltweite Krise des Kapitalismus, die sich im Irak-Krieg und den 
weltwirtschaftlichen Entwicklungen zeige. Er wies die Idee eines 
reformierten, gerechten, sozialen und friedlichen Kapitalismus zurück 
und erklärte, nur eine Gesellschaft auf der Basis von Gemeineigentum an 
der Wirtschaft und einer demokratischen Planung, könne die Krise der 
Menschheit überwinden.

Debatten

In den folgenden Tagen wurden viele der angerissenen Fragen detailliert 
weiter diskutuiert. Dazu hatte die SAV viele RednerInnen anderer 
Organisationen eingeladen. So debattierte Daniel Behruzi von der 
Berliner SAV mit dem junge Welt-Redakteur Rüdiger Göbel und dem 
irakischen Kommunisten Woria Ahmadi über die Haltung der Linken zur 
Besatzung des Irak. Während Göbel dafür argumentierte die Kritik an den 
islamistischen und bürgerlich-nationalistischen Kräften in der 
irakischen Opposition zurückzustellen, um mit diesen eine gemeinsame 
Widerstandsfront zu bilden, argumentierte Behruzi für eine unabhängige 
Position von SozialistInnen, die sowohl ein sofortiges Ende der 
Besatzung fordert, als auch den reaktionären Charakter der 
islamistischen und nationalistischen Widerstandskräfte kritisiert.
Unter dem Motto „Wie weiter für den Widerstand gegen Sozialkahlschlag?“ 
debattierten Doreen Ullrich, SAV-Mitglied und Sprecherin von widerstand 
international, und Michael Prütz vom Berliner Sozialbündnis. In der 
Debatte wurde von SAV-Mitgliedern unter anderem die Kampagne für ein 
Volksbegehren zum Sturz des SPD-PDS-Senats in Berlin kritisiert. Diese 
zeige keinen Weg für die Organisierung von erfolgreichem Widerstand auf. 
Stattdessen lenke sie die Aufmerksamkeit auf die parlamentarische Ebene 
anstatt für die Organisierung von breiten Mobilisierungen und Streiks 
einzutreten. Außerdem laufe die Kampagne Gefahr von der bürgerlichen 
Rechtsopposition in der Stadt instrumentalisiert zu werden. Solange 
keine starke linke Partei besteht, die eine Wahlalternative darstellt, 
sei das Volksbegehren nicht der richtige Weg.
In einer weiteren Podiumsdiskussion erläuterten die CWI-Mitglieder (CWI 
= engl. Abkürzung für Komitee für eine Arbeiterinternationale, die 
weltweite sozialistische Organisation, der die SAV angeschlossen ist) 
Robert Bechert aus London und Virginie Prégny aus Frankreich, sowie 
Werner Halbauer von Linksruck und Lars Steinau von der französischen LCR 
(Revolutionär-Kommunistische Liga) ihre Vorstellungen über die Aufgaben 
von MarxistInnen heute.
In einer Plenumsdiskussion am Samstag Abend diskutierten die 
SAV-Mitglieder Aron Amm und Lorenz Blume mit Helge Meves, einer der 
Koordinatoren der Wahlalternative, über die Aussichten für eine neue 
linke Partei.
Segun Sango, Generalsekretär der Demokratisch-Sozialistischen Bewegung 
in Nigeria stellte auf den Sozialismustagen die „Kampagne für Demokratie 
und Arbeiterrechte“ in Nigeria vor, die auch in der Bundesrepublik 
Unterstützung für die nigerianische Arbeiterbewegung organisieren will.
Robert Bechert und Tanja Niemeier vom Komitee für eine 
Arbeiterinternationale sprachen unter andrem über die dramatischen 
Ereignisse in Venezuela. Sie erklärten, dass ein rechter Putsch nur 
dauerhaft verhindert werden kann, wenn die venezolanische Arbeiterklasse 
in ihrem Kampf weiter geht und sozialistische Maßnahmen ergreift.
In anderen Diskussionsforen wurde mit osteuropäischen SozialistInnen 
über die EU-Osterweiterung gesprochen, diskutierten GewerkschafterInnen 
über die Pläne die Arbeitszeit zu verlängern, gab es Schulungen in 
Grundlagen des Marxismus, berichtete der Nazi-Aussteiger Jörg Fischer 
von seinen Erfahrungen und wurde unter anderem auch diskutiert, warum 
SozialistInnen das  Kopftuchverbot ablehnen.

Begeisterung

Die Begeisterung der TeilnehmerInnen drückt sich nicht zuletzt in dem 
herausragenden Spendenergebnis von 4.400 Euro aus, die auf der 
Abschlussveranstaltung gesammelt wurden. Im letzten Jahr waren es noch 
2.500 Euro gewesen. Darunter waren Spenden von 5 Euro von SchülerInnen 
über 20 Euro von Erwerbslosen bis zu 500 Euro von berufstätigen 
TeilnehmerInnen. Auf der Abschlussveranstaltung erklärten auch zwei 
RednerInnen, Claudia aus Rostock und Andrej aus Hamburg, ihren Eintritt 
in die SAV. Insgesamt traten an dem Wochenende fünf neue Mitglieder in 
die SAV ein, viele weitere sagten, dass sie sich eine Mitgliedschaft gut 
vorstellen können und darüber weiter diskutieren wollen.
Die Sozialismustage sind eine Tankstelle für sozialistische Ideen. Dies 
zeigte sich auch an den gutbesuchten Info- und Bücherständen. In diesem 
Jahr wurden mehr Broschüren der SAV verkauft als in den letzten Jahren. 
Vor allem die Neuauflage von Rosa Luxemburgs „Sozialreform oder 
Revolution“ fand reißenden Absatz.
Die Mitglieder und UnterstützerInnen der SAV haben neue Ideen, Kraft und 
Motivation getankt, um in ihren Betrieben, Stadtteilen, Schulen und 
Hochschulen der Kampf für eine sozialistische Veränderung der 
Gesellschaft weiter zu führen. Dies wird geschehen in den vielen 
Kampagnen an denen die SAV vor Ort beteiligt ist und von denen berichtet 
wurde: den Kommunalwahlkämpfen in Aachen, Köln, Rostock und Stuttgart; 
der Kampagne für einen Jugendstreiktag am 7. Juli gegen Sozialkahlschlag 
in Kassel; dem Kampf gegen Wohnungsprivatisierungen in Berlin-Kreuzberg; 
der Kampagne gegen die Erhöhung von Müllgebühren in Köln; dem Kampf 
gegen die Arbeitszeitverlängerung im öffentlichen Dienst und vieles mehr.

Sascha Stanicic, Berlin



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