[SAV-newsletter] Gemeinsamer Streik in Kassel
SAV Zentrale
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Mi Dez 10 12:15:45 CET 2003
Am 9. Dezember fand in Kassel die erste branchenübergreifende
Arbeitsniederlegung gegen Sozialabbau und für Tarifautonomie statt.
Damit fand die Protestwelle gegen den sozialen Kahlschlag und für den
Erhalt der Tarifautonomie, die seit der bundesweiten Großdemonstration
mit 100 000 Teilnehmern am 1.November in Berlin nicht mehr abreißt,
einen neuen Höhepunkt in Kassel. Unter dem Motto „Stoppt die soziale
Demontage, für den Erhalt der Tarifautonomie“ hatte der DGB die
Beschäftigten verschiedener Branchen und Betriebe der Stadt zu einer
gemeinsamen Demonstration während der Arbeitszeit aufgerufen.
Tausende legen Kassel lahm!
7000 versammelten sich daraufhin um „fünf vor zwölf“ in der Kasseler
Innenstadt zur größten Demonstration in Kassel gegen Sozialabbau seit
mehr als 15 Jahren. Darunter waren die Belegschaften aller großen
Metallbetriebe Kassels und einiger aus dem Umland. Die Arbeiter von VW,
DaimlerChrysler, Bombardier, Krauss-Maffei-Wegmann, Alstom, Bode und
vieler kleiner und mittelständischer Betriebe hatten die Arbeit
unterbrochen, um zusammen mit ihren Kollegen aus dem
Regierungspräsidium, dem Klinikum, der Stadtreinigung, der
Verkehrsbetriebe und den Hochschulbeschäftigten auf die Straße zu gehen.
Mit Straßenbahnen und Bussen hatten die Fahrer der Kasseler
Verkehrsbetriebe (KVB) zuvor ihre Kollegen von VW Baunatal und Daimler
Chrysler im Industriegebiet der Kasseler Nordstadt abgeholt und zur
Demonstration gebracht. Die Beschäftigten der Metallbranche im nahe
gelegenen Eschwege „informierten sich während ihrer gesamten Arbeitszeit
über Sozialabbau und Tarifautonomie“, wie es die nordhessische
DGB-Vorsitzende Katharina Seewald ausdrückte. (JW 10.12.03) Diverse
Belegschaften der Region schickten Delegationen zur Kasseler
Demonstration. An dieser nahmen auch streikende Studierende teil, die
nach einer eigenen Auftaktdemonstration zum gemeinsamen Treffpunkt
kamen. Auch Schüler, Erwerbslose und soziale Initiativen hatten zum
Protest aufgerufen.
Wer heute noch SPD, CDU und Kapital vertraut...
Gemeinsam zogen die Demonstranten zur SPD-Bezirkszentrale. Dort
übergaben sie Unterschriften mit der Forderung, die Tarifautonomie im
Vermittlungsausschuß nicht zur Disposition zu stellen. In einem
Schreiben des SPD Bezirks Hessen-Nord an den DGB hatte dieser zuvor
versucht, sich den Gewerkschaften anzubiedern. Sozialdemokraten und
Gewerkschafter stünden beim „Eintreten für Arbeitnehmerrechte und
soziale Gerechtigkeit auf der selben Seite“. Desweiteren enthält der
Brief die Aufforderung an die Gewerkschaften, die angeblichen
Gemeinsamkeiten „in den öffentlichen Debatten deutlicher zum Ausdruck“
zu bringen. Auf sonderlich viel Gegenliebe traf das Werben der
hessischen Sozialdemokraten bei den Demonstranten indes nicht. Man werde
die SPD „an ihren Taten messen“, stellte Seewald bei ihrer Rede klar.
Heftige Kritik mußte naturgemäß auch die hessische CDU einstecken, die
sich unter Ministerpräsident Roland Koch für das bundesweit radikalste
Kürzungsprogramm verantwortlich zeichnet. 12.000 Menschen werden laut
Gerhard Hof, Personalratsvorsitzender im Regierungspräsidium, durch die
Maßnahmen der Landesregierung „in die Arbeitslosigkeit geschickt“.
Ullrich Messmer, 1.Bevollmächtigter der Kasseler IG Metall nannte es
eine „Unverschämtheit, daß die Arbeitgeber uns predigen, wir sollten
schneller lernen und härter arbeiten, obwohl sie selbst nie für Bildung
bezahlt und nie wirklich gearbeitet haben“.
Sein Ende fand der für Kasseler Verhältnisse außerordentlich große
Demonstrationszug beim Arbeitgeberverband. „Hier sitzen die Auftraggeber
der Politiker“, stellte Messmer fest. Er warnte Unternehmer und
Regierung vor einer gesetzlichen Einschränkung der Tarifautonomie und
des Flächentarifs. „Es war ein harter Weg der Kolleginnen und Kollegen,
die vor uns Errungenschaften wie Tarifverträge erkämpft haben. Wer das
angreift riskiert eine Welle von Protesten.“, drohte der
Gewerkschaftsfunktionär.
Ein Hauch von Paris ´68
Noch radikaler traten die Vertreter der Schüler und Studierenden auf. So
sagte Nico Weinmann vom Bündnis „Jugend gegen Sozialkahlschlag“ und
Mitglied der SAV in seiner Rede unter dem Applaus der Demonstranten:
„Bundesweit waren in den vergangenen Wochen 350.000 Menschen in
verschiedenen Städten gegen die Kürzungsmaßnahmen auf Bundes- und
Länderebene auf der Straße. Das zeigt wieviel Potential für Widerstand
gegen den Kahlschlag auf allen Ebenen steckt. Die Zeit ist reif, weitere
Kampfmaßnahmen bis hin zu einem 24 stündigen Generalstreik als Mittel zu
ergreifen.“ Und die Vertreterin der Studierenden, Miriam Fischer,
erklärte: „Wenn man sich überlegt, wieviele Subventionen die Konzerne
heutzutage einstreichen, kann man sagen, daß es im Grunde volkseigene
Betriebe sind“. Angesichts des Mobilisierungserfolgs kam unter den
Demonstranten sogar revolutionäre Stimmung auf. So zitierte Katharina
Seewald einen älteren Kollegen mit den Worten: „Es weht ein Hauch Paris
'68 durch Nordhessens Gassen“.
Kein Kaviar für Koch und Schröder!
Mitglieder der SAV aus Kassel, Aachen, Berlin und der Schwesterpartei
der SAV in Österreich, der Sozialistischen LinksPartei – SLP, verteilten
auf der Demo etwa 1.500 Sonderblätter der „Solidarität – Sozialistische
Zeitung“ und sammelten rund 300,- Euro an Spenden. Das zeigt, welche
große Unterstützung die Forderungen der SAV fanden. Denn gemeinsame
Streikaktionen wie in Kassel sind ohne Zweifel ein guter Anfang, doch
müssen weitere Schritte folgen. Deshalb schlägt die SAV einen
hessenweiten Generalstreik gegen Koch und Schröder am 17. Dezember, dem
Tag der letzten Lesung der hessenweiten Kürzungen im Landtag, vor. So
ein Streik würde bundesweit ein enormes Zeichen setzen und Mut für einen
bundesweiten, eintägigen Generalstreik machen. Dass das Potential dafür
da ist, zeigen die 350.000, die nach dem 1. November bundesweit auf der
Straße waren und teilweise sogar ihre Arbeit niederlegten. So schrieben
wir in unserem Sonderblatt der Soldarität – Sozialistische Zeitung:
„Wenn einen Tag lang kein Fließband, keine Straßenbahn und keine
Mülltonne mehr angerührt wird, dann spüren nicht nur wir, wer diese
Gesellschaft eigentlich zum Laufen bringt. Auch die Regierenden und
Bosse würden von ihrem hohen Ross geholt werden. Weil auch Koch und
Konsorten an so einem Tag keinen Kaviar kredenzt bekommen!“
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