[Postfixbuch-users] Strafbarkeit von DNSBL
Peer Heinlein
p.heinlein at jpberlin.de
Mi Nov 16 12:49:22 CET 2005
Am Mittwoch 16 November 2005 10:34 schrieb Alexander Sobottka:
> Ein Kunde beschwert sich das "Es ja nicht sein könne das wir Emails
> unterdrücken." Er führt §206 StGB an und zitiert (unvollständig
> möchte ich hinzufügen) aus einem PDF des BSI, in dem auf das OLG
> Karlsruhe eingegangen wird.
*) Wer vorsorgt hat weniger Ärger. Gute AGBs wirken hier Wunder.
Stichwort: "unbefugte" Unterdrückung -> §206 gilt nicht, wenn "befugt"
weil erlaubt.
*) Stichwort "anvertrauen". Es gibt da unterschiedliche Meinungen, so
konnte ich mich z.B. in Gesprächen mit Jörg Heidrich NICHT direkt
einigen; er vertrat die Auffassung die Mail sei übertragen und damit
anvertraut worden, ich vertrete strikt die Auffassung, daß mit 4xx und
5xx abgelehnte Mails ja explizit NICHT übertragen worden sind,
geschweige denn, daß jemand darauf vertrauen kann, daß ich eine Mail
zustelle, wenn ich sie ja gerade mit 4xx 5xx ablehne. Damit ist dann
aber auch nicht der hier geschützte Vertrauensbruch gegeben und §206
greift damit nach meiner Überzeugung definitiv nicht bei RBL & Co. Das
sehen bis auf wenige Mindermeinungen auch 95% aller Juristen so; den
anderen 5% schiebe ich "mangelndes technisches Verständnis des
SMTP-Protokolls" in die Schuhe und behaupte, sie haben den 4xx und 5xx
nicht kapiert.
(Wenn ich sage 4xx "Festplatte voll" dann vertraut ja niemand auf die
Zustellung!)
RICHTIG ist aber, daß grundsätzlich der §206 greift, wenn Du
* unbefugt
* anvertraue Daten
* unterdrückst und
* geschäftsmäßig Telko-Leistungen erbringst oder zulieferst.
Also dann, wenn Du ohne Notifications Spam wegfilterst, nicht aber wenn
Du in der Annahme das Ding mit einem 5xx blockst.
An sich hat der Kunde also mit Verweis auf §206 recht und leider wissen
nur zu viele Postmaster nicht, daß sie genaugenommen permanent mit
einem Bein im Knast stehen, mit dem, was sie da machen. Das erleben wir
da in jeder Schulung immer wieder, daß sie dann anschließend doch recht
nachdenklich nach Hause fahren... Zum Glücl gilt hier auch das Prinzip
"wo kein Kläger da kein Richter", aber WENN es mal kracht und Rache
geübt wird, dann ist der Ärger da (ob §206 dann zutrifft ist fast
Nebensache, der ÄRGER des Strafverfahrens an sich reicht ja).
> Wie seht ihr die Angelegenheit? Meiner Meinung nach ist uns die Mail
> ja nicht "..zur Übermittlung anvertraut" worden, ergo auch nicht in
> unserem Veranwortungsbereich.
Sehe ich absolut genauso und nahezu alle mir bekannten Profi-Postmaster
und alle mir bekannten technisch (!) versierten Juristen ebenfalls.
> E-Mails unterliegen grundsätzlich dem Telekommunikationsgeheimnis und
> sind eben nicht mit Postkarten vergleichbar. Ein Provider (auch ein
> Arbeitgeber) erbringt einen Telekommunikationsdienst. Der Tatbestand
> der "Sendung" ist weit zu ziehen und umfasst nach herrschender
> juristischer Meinung auch E-Mails. Wer unbefugt (also ohne Zustimmung
> des Empfängers) und vorsätzlich dafür sorgt, dass eine an den
> Empfänger gerichtete E-Mail nicht ihr Ziel erreicht, "unterdrückt"
> damit die Sendung. Damit ist der Tatbestand imho erfüllt.
Wie gesagt, hatte ich schon versucht mit ihm auszudiskutieren, ich halte
seine Meinung für falsch und erlaube mir als Jurist da ebenfalls eine
qualifizierte Meinung zu haben.
Zwar sehe ich auch so, daß hier *vielleicht* "unterdrückt" wird, wenn
man den "Block" als "Unterdrückung" wertet -- ich persönlich würde eine
Unterdrückung allerdings anders definieren (im Sinne von
"spurlos/kommentarlos").
Wie auch immer sehe ich aber weiterhin -anders als Heidrich- keinen zu
schützenden Vertrauenstatbestand, weil ich mit Kundgabe des 5xx ja
gerade mitteile, daß ich der Absender NICHT davon ausgehen kann, daß
ich zustelle.
Heidrich sieht das anders, er argumentiert, mein Kunde VERTRAUE MIR
generell, daß ich ALLE seine zukünftigen Mails transportiere.
Das halte ich aber für entschieden zu weit. Der Kunde muß grundsätzlich
davon ausgehen, daß es technische Gründe gibt Mails nicht anzunehmen
(u.a. auch temporäre Störungen in der DB, DNS o.ä.) und daß wir hier
deshalb nicht für einen globalen Vertrauenstatbestand bezügl. des
Empfangs reden können, sondern nur im Einzelfall -- und der ist hier
eben nicht da.
Das nur mal so zur Erklärung warum es da durchaus auch noch andere
Meinungen gibt, die sich da auch begründen lassen.
*) Siehe Ausführungen im Postfix-Buch (dem Orginal...)
*) Siehe Ausführungen des *sehr* kompetenten Anwalts Kai Bodensiek auf
unserer Mailserverkonferenz:
http://www.heinlein-support.de/web/konferenzen/downloadupdates/
Lieben Gruß
Peer
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