[SAV-newsletter] Tsipras überschreitet den Rubikon - Erklärung von Xekinima (griechische Sektion des CWI)

Holger Dröge - SAV hd at sav-online.de
Sa Jul 11 18:06:16 CEST 2015


/Athen, den 10. J//u//li 2015//
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Zeit für eine neue revolutionäre Linke der Massen - gegen alle Kürzungen!*

Der 9. Juli war ein schwarzer Tag für die griechische Linke. Die 
Syriza-Führung um Premier A. Tsipras hat sich vollständig und 
bedingungslos den Forderungen der Troika-Gläubiger unterworfen. Die 
griechische Arbeiterklasse ist in eine tragische Position geraten. Sie 
hat Syriza gewählt, um Lösungen für ihre Probleme zu finden und den 
Memoranden (Kürzungspaketen) zu entkommen. Aber nach fünf Monaten an der 
Regierung konnte Syriza nichts erreichen – nur ein weiteres, 
katastrophales Memorandum, das die Austeritätspolitik der früheren 
Regierungen von Nea Dimokratia und PASOK fortsetzt.

Die arbeitenden Massen vergessen nicht, dass dieselben Leute, die heute 
die Ideen und Prinzipien der Linken verraten, vorher versprochen hatten, 
die Memoranden „binnen eines Tages und mit einem Gesetz“ abzuschaffen. 
Es sind dieselben, die das Programm von Thessaloniki (die radikaleren 
Wahlversprechen von Syriza) versprochen hatten und behaupteten, es werde 
unabhänging vom Ergebnis der Verhandlungen mit der Troika umgesetzt.

Die führende Gruppe in Syriza und Alexis Tsipras haben sich 
tragischerweise als unfähig erwiesen, die sich stellenden Aufgaben zu 
lösen. Sie sind des Vertrauens der Arbeiterklasse unwürdig. Sie haben 
das „Nein“ der Volksabstimmung am 5. Juli missachtet, das in Europa und 
der ganzen Welt wiederhallte. Sie haben das Vertrauen von ArbeiterInnen, 
RentnerInnen, Arbeitslosen und Armen verraten, die in den 
Arbeitervierteln und -städten zu 70-80% mit „Nein“ gestimmt hatten. Sie 
haben den großen Kampf verraten, den Linke und die Arbeiterklasse in 
ganz Europa und darüber hinaus in Solidarität mit der kämpfenden 
griechischen Arbeiterklasse begonnen haben.

Aber sogar jetzt noch haben sie die Frechheit, die Bevölkerung zu bitten 
sich heute für das „Nein“ zu versammeln, weil diese „linke Regierung“ 
angeblich die Unterstützung der Bevölkerung in den Straßen bräuchte. 
Aber warum sollte die Arbeiterklasse sich versammeln und demonstrieren 
um die zu verteidigen, die sie verraten haben? Besonders wenn erst vor 
wenigen Tagen, am Freitag, dem 3. Juli, ArbeiterInnen und Jugendliche zu 
hunderttausenden im Zentrum von Athen auf die Straße gegangen sind und 
am 5. Juli zu 61,3% mit Nein gestimmt haben.

Die sogenannten Verhandlungen mit der Troika dauern angeblich immer noch 
an. Die einzige noch so kleine Möglichkeit, den Unterwerfungsprozess von 
Syriza noch zu stoppen wäre wohl eine Entscheidung von Teilen der 
herrschenden Klasse in Europa, Griechenland einfach aus der Eurozone zu 
werfen. Das wäre die einzige Möglichkeit, durch die es zu einem 
frontalen Zusammenstoß zwischen Tsipras und der Eurozone kommen könnte. 
Wenn das passieren sollte, würde es natürlich überhaupt nichts an der 
oben angeführten Kritik an der Syriza-Führung ändern.

Der 9. Juli ist ein historischer Wendepunkt in der Verwandlung Syrizas 
von einer linken Partei in eine Partei, die dem kapitalistischen System 
dient. Tsipras und die Regierungsmannschaft haben den Rubikon überquert. 
Und sie werden auf diesem Weg weitergehen, selbst wenn es sie in die 
Arme einer „Regierung der nationalen Einheit“ mit den Feinden von 
gestern führt, selbst wenn sie den linken Flügel von Syriza ausschließen 
und die Partei „zerstören“ müssen.

Hinter dieser neuen historischen Tragödie der griechischen Linken steckt 
nichts anderes als die völlige Unfähigkeit der Führung, den 
Klassencharakter der Realität in der wir leben zu verstehen. Und ihr 
fehlendes Verständnis davon, was Klassenkampf bedeutet. Sie wollten bei 
der EU „für ihre Vorschläge kämpfen“ - mit Wasserpistolen gegen 
Maschinengewehre. Es war ein naiver und dummer Versuch, Schäuble und dem 
Rest der kapitalistischen Bande, die die EU führt zu erklären, dass ihre 
Politik falsch sei und sie sie ändern sollten. Sie hatten nie auch nur 
das geringste Vertrauen auf die Macht der Arbeiterklasse und ihre 
Fähigkeit, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Sie haben dem 
Märchen der herrschenden Klasse geglaubt, dass das Profitsystem 
unbesiegbar sei, dass der Kapitalismus nie überwunden werden könne und 
dass ein Austritt aus dem Euro eine soziale Katastrophe bedeuten würde.

Die Niederlage, in die Tsipras und seine Regierung die griechische 
Arbeiterklasse geführt haben ist historisch, aber nicht endgültig. Es 
ist keine Niederlage, wie sie die Linke und die Arbeiterklasse im 
Griechischen Bürgerkrieg erlitten haben. Es gibt noch viel Potential für 
Widerstand.

Die nächste Aufgabe ist, alle Kräfte der Linken zu sammeln, die die 
Notwendigkeit einer Umgruppierung der revolutionären sozialistischen 
Kräfte sehen, um die nächsten Schritte zu planen. Es gibt ernsthafte 
Kräfte in der außerparlamentarischen Linken, innerhalb von ANTARSYA 
(antikapitalistische Linke) und SYRIZA usw., die verstehen, dass es ohne 
einen Bruch mit dem kapitalistischen System und der Eurozone keine 
Perspektive für ein besseres Leben gibt. Diese Kräfte müssen sich 
dringend treffen und diskutieren und alles notwendige tun, um die 
Grundlage für eine neue revolutionäre Linke der Massen zu schaffen. Um 
die Kämpfe von morgen zu führen und eine Perspektive für zukünftigen 
Widerstand gegen die falschen Hoffnungen von Tsipras und seinem Zirkel 
zu bieten.

Am Abend des 10. Juli wird eine von Syriza geplante Demonstration auf 
dem Syntagma-Platz im Zentrum Athens jetzt wohl zu einer Kundgebung der 
SYRIZA-Linken und von ANTARSYA gegen die 180 Grad-Wende von Tsipras 
werden. Mitglieder von Xekinima (CWI-Sektion in Griechenland) werden 
diese Erklärung auf der Kundgebung verteilen.

Xekinima <http://www.xekinima.org/> (CWI-Sektion in Griechenland) ruft 
die Abgeordneten der Syriza-Linken und Abgeordnete der anderen linken 
Parteien auf, die neuesten Vorschläge der Tsipras-Führung abzulehnen. 
Die Linke in Griechenland muss ArbeiterInnen und Jugendliche gegen das 
neue Memorandum mobilisieren, um mit Massenprotesten und Demonstrationen 
an das starke Mandat für ein „Nein“ aus der Volksabstimmung von letzter 
Woche zu erinnern und gegen jeden Ausverkauf ihrer Klasseninteressen zu 
protestieren.

Xekinima fordert die Linke auf, mit der Austeritätspolitik zu brechen 
und ein sozialistisches Programm anzunehmen. Das beinhaltet eine 
Weigerung, die Schulden zu bezahlen, Kapitalverkehrskontrollen, ein 
staatliches Außenhandelsmonopol, die Verstaatlichung der Banken und der 
wichtigsten Unternehmen unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung 
der ArbeiterInnen, die Rücknahme der Kürzungen, Arbeit für Alle zu 
Löhnen, von denen man leben kann und kostenlose, gute 
Gesundheitsversorgung, Bildung und Sozialleistungen.

Durch eine Planung der Wirtschaft für die Bedürfnisse der Bevölkerung 
und nicht für die Profite der Kapitalisten würden Wirtschaftskrisen, 
Armut, Arbeitslosigkeit und erzwungene Auswanderung überwunden.

Um sie zu erreichen ist es notwendig, unabhängige Klassenpolitik 
aufzubauen – innerhalb und außerhalb von Syriza. Nach den riesigen 
„Nein“-Kundgebungen in ganz Griechenland in der letzten Woche muss die 
aktive Beteiligung der Arbeiterklasse und der Jugend am Kampf gegen die 
Troika und für eine sozialistische Alternative fortgesetzt und erweitert 
werden. Das bedeutet die Bildung von Volksversammlungen und 
Basis-Aktionskomitees in Betrieben und Wohnvierteln.

Wir rufen ArbeiterInnen und Jugendliche in ganz Europa auf, gegen 
Austerität und für ein sozialistisches Europa zu kämpfen.

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