[SAV-newsletter] Stellungnahme zum Einspruch gegen Mitgliedschaft in LINKE
Sascha Stanicic
sst at sav-online.de
Mi Okt 22 18:04:40 CEST 2008
*Zum Einspruch gegen die Mitgliedschaft von SAV-Mitgliedern in der
Partei DIE LINKE*
Der stellvertretende Parteivorsitzende der LINKEn, Klaus Ernst, und
andere wollen verhindern, dass wir - Lucy Redler, Sascha Stanicic, Hakan
Doganay und Aron Amm - Mitglied der Partei DIE LINKE werden und haben
Einspruch gegen die Mitgliedschaft erhoben.
Die Argumente zur Begründung dieses Einspruchs konstruieren einen
Widerspruch der von uns vertretenen politischen Positionen zu Programm
und Satzung der LINKEn.
Insbesondere wird von Klaus Ernst argumentiert, dass die Fusion von WASG
und Linkspartei.PDS ein politischer Grundsatz der neuen Partei ist und
die ablehnende Haltung, die von uns zu einer bedingungslosen Fusion der
beiden Parteien eingenommen wurde, daher einen Widerspruch zur
Programmatik darstellt. Weiterhin wird die eigenständige Kandidatur der
WASG Berlin zu den Abgeordnetenhauswahlen 2006 als parteischädigend und
Obstruktion des Vereinigungsprozesses bewertet und außerdem als Bruch
demokratischer Entscheidungen der damaligen WASG, deren Bundesparteitag
sich gegen konkurrierende Wahlantritte von WASG und Linkspartei.PDS
ausgesprochen hatte.
Dies sind vorgeschobene und konstruierte Argumente, die von der
eigentlichen Motivation des Einspruchs ablenken sollen. Diese sehen wir
darin, profilierten GegnerInnen der Politik des rot-roten Senats in
Berlin und grundsätzlich von Regierungsbeteiligungen mit SPD und Grünen
die Mitgliedschaft zu verwehren, um dadurch die wachsenden Reihen der
innerparteilichen KritikerInnen an dieser "Realpolitik" zu schwächen.
Im Gegensatz zur Programmatik der Partei stehen nicht wir, sondern die
Führung des Landesverbandes Berlin, die für die Exekutierung von
Sozialabbau, Privatisierungen, Tarifflucht etc. mit verantwortlich ist.
Die Politik des rot-roten Senats ist nicht vereinbar mit dem Anspruch
der LINKEn, die Interessen von abhängig Beschäftigten und Erwerbslosen
zu vertreten und gegen Sozialabbau, Arbeitsplatzvernichtung und
Privatisierung zu kämpfen. Nicht unsere Opposition gegen diese
arbeitnehmerfeindliche Politik des Berliner Senats ist parteischädigend,
sondern eben diese Politik -- was sich auch in dem desaströsen Ergebnis
der Linkspartei.PDS bei den letzten Abgeordnetenhauswahlen zeigte. Die
Politik der Berliner LINKEn ist eine schwere Hypothek für die
Bundespartei und untergräbt deren Glaubwürdigkeit.
Aus diesem Grund waren wir gegen eine *bedingungslose* Fusion von WASG
und Linkspartei.PDS und sind dafür eingetreten, dass erst ein Ende der
Beteiligug der L.PDS an Sozialabbau und Privatisierungen eine
Voraussetzung für eine dauerhaft erfolgreiche neue linke Kraft legen
kann. Aus diesem Grund hatten wir uns entschlossen, der neuen Partei in
Berlin zum Zeitpunkt der Fusion nicht beizutreten, weil wir die Politik
der LINKEn in Berlin nicht unterstützen können, sondern gemeinsam mit
Gewerkschaften, Schülervertretungen und sozialen Bewegungen gegen diese
Politik mobilisieren und kämpfen müssen. Wir waren zu keinem Zeitpunkt
prinzipiell gegen eine Fusion. Wir haben 2005 Wahlkampf für die
Linkspartei.PDS zu den Bundestagswahlen gemacht und haben immer erklärt,
dass wir -- wären wir in Westdeutschland -- der neuen Partei beigetreten
wären, wie es SAV-Mitglieder in vielen westdeutschen Städten ja auch
gemacht haben.
Mittlerweile sind wir zu der Überzeugung gekommen, dass trotz der
Politik der LINKEn in Berlin, eine Mitarbeit in der Partei sinnvoll ist,
um einen Beitrag dazu zu leisten, dass bundesweit eine starke,
kämpferische und sozialistische Partei aufgebaut wird. Wir sind aber
auch davon überzeugt, dass das nur möglich ist, wenn die Partei
bundesweit nicht dem Berliner Kurs folgt. Deshalb wollen wir mit unserem
Eintritt auch die Stimmen der Senats-KritikerInnen in der Berliner
LINKEn stärken. Damit vertreten wir eine Haltung, die von vielen tausend
Basismitgliedern geteilt wird.
Die Ablehnung der Fusion, in der Form wie sie stattfand, als Grund für
eine Ablehnung der Mitgliedschaft in der neuen Partei zu nehmen,
betrifft nicht nur uns, sondern viele ehemalige WASG-Mitglieder in
Berlin und bundesweit, die mittlerweile aktive Mitglieder der LINKEn
sind. Wir erinnern auch daran, dass in den Wochen vor der Fusion von
Oskar Lafontaine und anderen Mitgliedern der Parteiführung mehrmals
öffentlich erklärt wurde, dass die Mitglieder der WASG Berlin inklusive
Lucy Redler in der neuen Partei willkommen sind.
Der eigenständige Wahlantritt war nicht parteischädigend, was damals
sogar von einem bürgerlichen Gericht fest gestellt wurde, das die
Absetzung des WASG-Landesvorstands durch den WASG-Bundesvorstand aufhob.
Er war die logische Konsequenz aus der arbeitnehmerfeindlichen Politik
der Linkspartei.PDS im Senat. Nachweislich geschadet hat die
Senatspolitik aber der Linkspartei.PDS, die fünfzig Prozent ihrer
Stimmen bei der Abgeordnetenhauswahl 2006 verlor. Unter den damals
bestehenden Bedingungen war die WASG-Kandidatur eine Notwendigkeit, um
der sozialen Opposition in Berlin überhaupt eine Stimme zu geben.
Entscheidend ist aus unserer Sicht aber, dass Klaus Ernst eine Schlacht
der Vergangenheit bemüht, um MarxistInnen aus der Partei heraus zu
halten. Wir erinnern daran, dass es gerade Klaus Ernst war, der schon in
der Anfangsphase der WASG Front gegen MarxistInnen in der Partei machte.
Bleibt als Argument, dass wir demokratische Entscheidungen gebrochen
hätten und zu erwarten sei, dass wir dies wieder tun werden.
Innerparteiliche Demokratie ist keine Einbahnstraße und auch keine
formale Angelegenheit. Sie ist ein lebendiger Prozess. Der
WASG-Bundesparteitag von Geseke hat sich gegen konkurrierende
Kandidaturen von WASG und Linkspartei.PDS ausgesprochen. Das war eine
demokratische Entscheidung. Der Landesparteitag der WASG Berlin hat sich
wiederholt mit großer Mehrheit für eine eigenständige Kandidatur der
WASG Berlin ausgesprochen. Das war ebenso eine demokratische
Entscheidung. Es ist formal demokratisch, aber inhaltlich undemokratisch
und drückt ein zentralistisches Parteikonzept aus, wenn man
argumentiert, dass der Bundesparteitag als höheres Organ einen
Landesparteitag in landespolitischen Fragen überstimmen kann. Dies war
auch weder in der WASG, noch in der Linkspartei.PDS Praxis, noch ist es
das in der LINKEn. Wieso gilt im Fall der Regierungsbeteiligung der
LINKEn in Berlin "das entscheidet die Landesebene", beim Wahlantritt der
WASG Berlin aber nicht? Hier wird sich Demokratie gerade so zurecht
gelegt, wie es Klaus Ernst inhaltlich passt.
Abgesehen davon lehnen wir eine blinde Parteiloyalität ab. Eine solche
Haltung hat der Arbeiterbewegung in ihrer Geschichte nur geschadet. Wir
sind loyal zu unserer Klasse, den Lohnabhängigen und Erwerbslosen, und
werden auch in Zukunft gegen jeden Beschluss der LINKEn und jeder
anderen Partei öffentlich Stellung nehmen, der sich gegen die Interessen
der Masse der Bevölkerung richtet. Klaus Ernst ist selber
Gewerkschafter. Wir auch. In Berlin streiken ver.di, GEW und GdP gegen
das Tarifdiktat des Senats. Als Mitglieder von Gewerkschaft und LINKE
muss man in dieser Stadt offensichtlich einen Beschluss brechen -- den
der Gewerkschaft oder den der LINKEn. Wir haben uns dafür entschieden
auf Seite der Kolleginnen und Kollegen zu stehen und sie in ihrem Kampf
zu untersttzen.
DIE LINKE hat den Anspruch als pluralistische Partei die linken Kräfte
in Deutschland zu vereinen. Dies bedeutet zwangsläufig offene und
öffentliche Debatte über unterschiedliche Vorstellungen im Rahmen von
linker, antikapitalistischer, sozialistischer Politik. Diese Politik
bewegt sich im Rahmen der Interessenvertretung von ArbeitnehmerInnen,
Erwerbslosen, SchülerInnen und Studierenden. Diesen Rahmen haben nicht
wir verlassen, sondern DIE LINKE im Berliner Senat.
Deshalb weisen wir die Vorwürfe von Klaus Ernst zurück und erklären,
dass wir einen legitimen Platz in der Partei DIE LINKE haben, wie viele
andere MarxistInnen und SAV-Mitglieder ihn jetzt schon einnehmen.
Berlin, den 22.10.2008,
/*Lucy Redler*/
/*Sascha Stanicic*/
/*Hakan Doganay*/
/*Aron Amm*/
Wir bitten alle Mitglieder der LINKEn sich in diese Debatte
einzuschalten und sich für unsere Aufnahme einzusetzen. Sendet
entsprechende Schreiben an:
DIE LINKE Pankow: _vorstand at die-linke-pankow.de_
<mailto:vorstand at die-linke-pankow.de>
fon (030) 44 01 77 80 . fax (030) 44 01 77 81
DIE LINKE Neukölln: _vorstand at die-linke-neukoelln.de_
<mailto:vorstand at die-linke-neukoelln.de>
. fon: (030) 6 13 59 19 . fax: (030) 6 13 59 19
DIE LINKE LaVo Berlin: _info at die-linke-berlin.de_
<mailto:info at die-linke-berlin.de>
Klaus Ernst: _klaus.ernst at die-linke.de_ <mailto:klaus.ernst at die-linke.de>
Kopien bitte an: _sst at sav-online.de_ <mailto:sst at sav-online.de>
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