[SAV-newsletter] Sri Lanka - Das Leben nach dem Tsunami

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Do Jan 20 17:54:57 CET 2005


Ein grausames Bild der Verwüstung nimmt langsam Gestalt an und läßt uns 
nicht los.

Bericht von Siritunga Jayasuriya, Generalsekretär der United Socialist 
Party (cwi in Sri Lanka)

Vor dem Hintergrund der 40.000 gemeldeten Toten in Sri Lanka hat die 
United Socialist Party auch bei den eigenen Kräften große Verluste 
erlitten. Auf der Sitzung des Vorstands am letzten Samstag wurde 
gemeldet, dass obwohl keine Mitglieder der Partei ihr Leben verloren, 
mindestens 86 UnterstützerInnen der USP beim Tsunami ums Leben kamen.

Am stärksten betroffen war der östliche Teil der Insel, die größte Stadt 
dort, Pottuvil, erlebt die schlimmste Katastrophe seit Menschengedenken. 
Fast 2000 Häuser wurden restlos hinweggefegt. Die Südwestküste wurde bis 
zu 30 Minuten später getroffen. Angesichts der modernen 
Kommunikationsmittel und des wissenschaftlichen Fortschrittes hätte die 
ganze Katastrophe und die vielen Todesopfer durch eine einfache Warnung 
und eine Evakuierung der Region vermieden werden können. Aber die 
bürokratische Pfuscherei und der fehlende Einsatz der Wissenschaft für 
das Gemeinwohl haben dafür gesorgt, dass eine Katastrophe von 
gigantischen Ausmaßen, durch die Versäumnisse des Kapitalismus 
verschlimmert, sich ereignen mußte.

Besonderen Dank gebührt den aufopferungsvollen und heroischen 
GenossInnen der United Socialist Party in Pottuvil. Bereits wenige 
Stunden nach der Katastrophe handelten sie um Menschen in den Trümmern 
und dem Sumpf, die das Tsunmai hinterlassen hatten, vor dem Tod zu retten.

Die USP in Pottuvil retteten 120 Familien vor dem Tod in dem sie auf 
eine durch die Flut geschaffene Insel gingen, während die einzige Brücke 
durch das Wasser
abgeschnitten wurde. Unter der Leitung des Genossen Abdul Jabbar, bauten 
sie schnell notdürftige Katamarane um auf die andere Seite zu gelangen. 
Sie brachten Essen und Wasser für die vielen Kinder, Frauen und ältere 
Menschen, die dort festsaßen und retteten sie so vor dem Verhungern. Nur 
durch diesen Einsatz der USP wurden die Regierungsorganisationen die an 
den Hilfseinsätzen beteiligt waren, dazu gezwungen, auch in diese 
Gegenden zu gehen, um Hilfe zu leisten.

Der größte Teil des Ostens von Sri Lanka ist historisch gesehen ein sehr 
armes und vernachlässigtes Gebiet gewesen. Die Bevölkerung besteht 
größtenteils aus Tamilisch-sprachigen Muslimen. Während des Krieges der 
letzten 20 Jahren wurden diese Menschen weder vom Süden akzeptiert, weil 
sie Tamilisch sprechen, noch vom Norden, weil sie Muslime sind. Obwohl 
das Tsunmai erst mit einer Verzögerung von 30-40 Minuten den Süden und 
Westen traf, war es dort so zerstörerisch wie sonst überall. Weil die 
Südküste, angefangen südlich von Colombo (Morotuwa) bis nach Hambantota, 
wo auch das nationale Tierschutzgebiet in Yala liegt, das 
Tourismusgebiet ist, waren viele ärmere Menschen an eben diesen Küsten 
des Indischen Ozeans, um zu versuchen, sich vom Tourismus ein 
Lebensunterhalt zu verdienen. Nach der Katastrophe ist es Mode geworden, 
zu sagen, die Menschen hätten gewußt daß sie sich in der Gefahrenzone 
befinden, weniger als 100 Meter vom Wasser entfernt. Aber was sollten 
sie sonst tun? Sie werden gezwungen ihr Leben zu riskieren und nah am 
Meer zu wohnen, entweder um vom Fischfang zu leben oder weil sie 
handgemachte Andenken wie traditionelle Masken und ähnliches an 
Touristen verkaufen. Die Zerstörung ist unvorstellbar. Mittelgroße 
Boote, die zum Fischen verwendet wurden, wurden auf die Straße 
geschleudert. Häuser in denen Menschen wohnten wurden in Trümmerhaufen 
verwandelt. Der Anblick von Kinderspielzeug, Kleidung und Bücher, die in 
der Luft hängen, an Bäumen oder im Gebüsch zerstreut, ist allgegenwärtig.

Der nun berüchtigte Unglückszug “Samudra Devi” (“Königin der Meere”) 
begann seine Fahrt von Colombo nach Matara an diesem schicksalhaften Tag 
ohne jede Warnung. Es war sogar so, dass der Lokführer während der Fahrt 
bereitwillig damit einverstanden war, dass Menschen, die bereits 
betroffen wurden, und auf der Flucht waren, in den Zug einsteigen 
durften. Aber als der Zug sich Akurala in der Nähe von Hikkaduwa 
näherte, traf eine riesige Welle den Zug aus dem Nichts, und schleuderte 
den Zug mitsamt 12 Waggons und den Schienen hundert Meter weit. 
Mindestens 95% der 2000 Reisenden kamen ums Leben. Viele Passagiere 
versuchten mit ihren Handys Hilfe zu holen, doch ohne Erfolg.

Die Regierungskräfte wie Polizei und Medizinische Versorgung brauchten 
volle 24 Stunden um den Unglücksort zu erreichen. Wenn eine schnellere 
Rettung aus der Luft gekommen wäre, hätten viele Menschenleben gerettet 
werden können. Es wird behauptet, daß die Verzögerung beabsichtigt war, 
weil die Polizei und andere örtliche Größen damit beschäftigt waren, 
sich durch plündern und Raub von den Opfern zu bereichern. Die Regierung 
verabschiedete dann ein Beschluß, wonach alle Leichen aus dem Zug 
verbrannt werden sollten.

Zerstörung und Diskriminierung im Süden

Die USP hat sich besonders angestrengt um betroffene Gebiete im Norden 
zu besuchen, zusammen mit einer Gruppe von anderen Linken, NGOs und der 
Presse. Die USP begab sich nach Mullathivu um sich ein Bildvon der 
Zerstörung zu machen, die die Flutwelle für die ohnehin schon unter dem 
Krieg leidende Tamilische Bevölkerung gebracht hatte.

Es muß betont werden daß dies nicht der erste Besuch der USP in dieser 
Region seit der Waffenruhe war. Die USP hatte sich Glaubwürdigkeit 
erarbeitet als eine politische Partei für alle arbeitenden Menschen in 
dem sie auch in dieser Region bei den letzten Wahlen mit einem 
sozialistischen Programm angetreten ist.

Die Besuchsdelegation ging zunächst nach Jaffna und wurde von der 
politischen Führung der LTTE (Liberation Tamil Tigers of Eelam) 
empfangen. Bei der Tamil
Rehabilitation Organisation (TRO) hatten wir solidarische Diskussionen 
um uns über das Ausmaß der Zerstörung zu informieren und auch über die 
Diskriminierung bezüglich der Versorgung mit Hilfsgütern auf der 
nördlichen Halbinsel. Um diesen durch Krieg gebeutelten Menschen noch 
Salz in die Wunde zu streuen, wird die Entscheidung der Regierung, die 
Armee mit der Leitung der Hilfscamps zu beauftragen, als Affront gegen 
die Tamilische Bevölkerung empfunden.

Unsere Delegation hatte keine Mühe, Zugang zu den bisherigen 
Kriegsgebieten zu bekommen. Die Tamilischen Behörden, die für den Norden 
zuständig sind, hinderten uns nicht dabei, unsere Arbeit zur Hilfe der 
Menschen zu machen. Die schwierigste Reise war die in den Dschungeln von 
Mullathivu, die als Hochburg der LTTE gelten, wobei gesagt werden muß, 
dass die Menschen im allgemeinen und die LTTE im besonderen durch die 
Flutwelle große Verluste erlitten haben. Die ganze Stadt Mullathivu, 
ehemals die wohlhabendste Fischereistadt des Nordens, wurde völlig 
hinweggefegt. Alle Gebäuden, Schulen, und Häuser sind im Meer gelandet. 
Es gibt kein Anzeichen der Besiedelung an dem Ort den man Mullathivu 
nannte. Das Ausmaß der Zerstörungskraft des Tsunami kann man anhand der 
abgeknickten Bäume sehen, die früher 10 Meter hoch waren.

Während die Flutwelle den Sinhalesichen, Tamilischen und Muslimischen 
"arbeiteten Armen", die vorher "glücklich" an den Küsten des Indischen 
Ozeans lebten, Tod und Zerstörung gebracht hat, versuchen die Reichen 
und die Elite, ihre eigene Krise mittels des Tsunami zu lösen.

Die Regierung Sri Lankas war am Rande eines finanziellen Abgrundes. Sie 
hatten nur noch für drei Wochen genug Devisen, um Außenhandel zu betreiben.
Die Regierung hatte kein Geld, um die versprochenen Lohnerhöhungen im 
öffentlichen Dienst zu bezahlen. Die Zahlung der Zinsen auf Schulden in 
Höhe von $55 Millionen standen an, und schwebten über die Köpfe der 
Regierung von Chandrika Kumarasinga. Die Flutwelle hat sich im 
Nachhinein als Segen für diese SLFP-geführte, völkische, JVP-infizierte 
Regierung erwiesen.

Obwohl die internationalen Medien vom schnellen Wideraufbau reden, ist 
nichts konkretes angefangen worden. Die eigentliche Hilfe für die 
Betroffenen ist vor Ort noch nicht sichtbar. Die ausländischen Gelder 
und medizinische Hilfe die kommen, werden von JVP- und SLFP-Leuten in 
ihre eigenen Gebiete umgeleitet, um ihren Einfluß dort zu vergrößern. 
Aber die Erleichterung auf den Finanzmärkten ist so stark daß die 
schwache Währung Sri Lankas, die dramatisch gefallen war, sich in der 
letzten Woche um 20% gegenüber dem britischen Pfund und um 10% gegenüber 
dem US-Dollar erholt hat, aufgrund des massiven Zuflusses der 
ausländischen Hilfsmittel.

Diese kapitalistische Regierung, gestärkt durch die Flutwelle, hat 
bereits mit versteckten Kriegsspielen angefangen. Während es alleine 
schon schlimm genug ist, die Armee mit der Leitung der Hilfscamps zu 
beauftragen, ist die Einladung an die Amerikanische, Britische und 
Indische Armeen, unter dem Deckmantel der Katastrophenhilfe nach Sri 
Lanka zu kommen, nichts anderes als eine indirekte Kriegserklärung gegen 
alle Sinhalesischen, Tamilischen und Muslimischen Menschen.

Dieses schwache, kapitalistische Regime Sri Lankas befindet sich auf 
einem gefährlichen und selbstzerstörerischen Kurs, unfähig die 
fundamentalen Probleme der Bevölkerung wie Armut, Krankheit, Mangel an 
guten und sicheren Wohnungen oder Arbeitslosigkeit zu lösen. Historisch 
und aktuelle verläßt es sich auf die imperialistischen Kräfte um an 
ihrer Stelle zu handeln.

In dieser kritischen Phase der Geschichte Sri Lankas sagt und fordert 
die United Socialist Party:

* Nein zu den fremden (Amerikanischen, Britischen und Indischen) Armeen 
die im Namen der Katastrophenhilfe im Land sind.
* Die Fluthilfe, die das Ergebnis der Opferbereitschaft von arbeitenden 
Menschen weltweit ist, sollte direkt und so schnell wie möglich an die 
Betroffenen gehen.
* Die Kontrolle über den Wiederaufbau und die Verteilung sollte sollten 
in den Händen von demokratisch gewählten Komittees der betroffenen 
Bevölkerung und der Gewerkschaften sein.
* Schämt euch, kriegshungrige Kapitalistenklasse Sri Lankas! Sowohl die 
oppositionelle UNP als auch die regierende UPFA, die die 
Kriegsbemühungen der Regierung unterstützen! Wir fordern vom Parlament 
die Streichung des aktuellen Verteidigungshaushaltes und die Umleitung 
der dafür vorgesehen Gelder für den Wiederaufbau.

Nationale Konferenz

Wir fordern daß die gesamte Linke und die Gewerkschaften in Sri Lanka 
sich der Lage gewachsen zeigen und den vom Tsunami Betroffenen helfen. 
Dies kann nur gemacht werden, in dem die Arbeiterklasse, FischerInnen, 
LandarbeiterInnen und sonstige vom Tsunami Betroffenen an einer 
nationalen Konferenz der arbeitenden Menschen Sri Lankas beteiligt werden.

Diese Konferenz sollte die Fragen der demokratischen Verteilung der 
Hilfsmittel und der Hilfeleistung für die Menschen diskutieren. Es 
sollte auch die gefährlichen Entwicklungstrends der imperialistischen 
Interessen in Sri Lankas diskutieren, und Maßnahmen ergreifen, um eine 
Katastrophe zu verhindern, die noch schlimmer wäre als die Flutwelle.

Übersetzung: Sean McGinley



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