***************************************************************************<BR>Wem gehört die Natur?<BR>Zwei Bücher zur Aneignung genetischer<BR>Ressourcen und Globalisierung<BR>von Gregor Kaiser<BR><BR><BR><BR>Schutz der Natur und der biologischen Vielfalt ist seit dem Rio-Gipfel<BR>1992 anscheinend das Thema, wenn die „internationale<BR>Staatengemeinschaft“ mit ihrem Vertragsstaatenwanderzirkus mal<BR>wieder Station macht – im Herbst 2001 in Bonn oder vor wenigen<BR>Wochen in Den Haag. Die Artenvielfalt soll erhalten und<BR>Maßnahmen dazu müssen ergriffen werden, denn die<BR>„Belastbarkeitsgrenze“ der Natur ist erreicht und deren<BR>„Tragekapazität“ überlastet. Das Gute – im Sinne der Herrschenden<BR>– an einer solchen Interpretation ist, dass, wie Brand und Kalcsics<BR>schon in ihren ersten Sätzen schreiben, „Macht- und<BR>Verteilungsfragen kaum mehr gestellt werden“, die Konflikte um<BR>genetische Ressourcen in vielen südlichen Ländern geraten erst gar<BR>nicht ins Blickfeld. Demgegenüber wollen Brand/Kalcsics,<BR>HerausgeberInnen des Buches „Wem gehört die Natur“, anhand des<BR>Beispiels Lateinamerika zeigen, wie machtförmig die Aneignung der<BR>genetischen Ressourcen verläuft und welch zentrales Terrain<BR>internationaler Politik sich hier herausgebildet hat. Nicht Umwelt-<BR>und/oder Nachhaltigkeitsdebatten sind das Feld der<BR>Auseinandersetzung, sondern im Diskurs um neoliberale<BR>Globalisierung ist Biopiraterie zu verorten.<BR><BR>Im Zeitalter von Gentechnologie und „Neuen Biotechnologien“ haben<BR>Transnationale Konzerne (TNC) „das grüne Gold der Gene“<BR>entdeckt, um im Pharma- und Agrobereich Milliardengewinne zu<BR>erwirtschaften (vgl. auch: ila 234, April 2000). Bedeutende<BR>Voraussetzung zur Erwirtschaftung der Profite sind Patente oder<BR>andere Schutzrechte geistigen Eigentums auf Leben – auf Pflanzen,<BR>Tiere, Mikroorganismen, Menschen – deren Vergabe und<BR>Verrechtlichung in den letzten Jahren immer mehr forciert worden<BR>ist. Deutlich wird in mehreren Aufsätzen, dass der neoliberale<BR>Kapitalismus keine reine Marktveranstaltung ist, sondern als zentrale<BR>Orientierung immer noch einen stabilen politischen und<BR>institutionellen Rahmen benötigt. Im Kontext der Biopiraterie, von<BR>Delgado-Ramos als „einen Mechanismus der kapitalistischen<BR>Bereicherung, als umweltzerstörende Aktionen und als Antithese zur<BR>Nachhaltigkeit“ bezeichnet, sind dies die Biodiversitätskonvention<BR>und besonders das Abkommen über Geistige Eigentumsrechte<BR>(TRIPS) in der WTO.<BR><BR>Dass es auch Widerstand gegen diese neue Form der Biopolitik,<BR>gegen diese Durchkommerzialisierung der Natur und des Lebens<BR>gibt und immer mehr im Entstehen ist, wird in Europa kaum<BR>wahrgenommen. Der Kampf gegen dieses „Weltsystem der<BR>Biopiraterie“(Delgado-Ramos), die Herausarbeitung von<BR>Interessensunterschieden zwischen den Ländern des Südens und<BR>des Nordens, aber auch zwischen den Ländern des Südens und<BR>innerhalb dieser ist zentrales Anliegen der meisten der 12 Beiträge<BR>des Buches. Anhand von Biopiraterie-Beispielen aus Ecuador<BR>(Reinhardt), Mexico (Cecena/Giménez; Delgado-Ramos), Costa<BR>Rica und Guatemala (Milborn) werden die Auswirkungen der<BR>kommerziellen Aneignung der Natur beleuchtet und<BR>Interessenskoalitionen von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft<BR>aufgezeigt.<BR><BR>Zeitlich früher ansetzend, ein etwas breiteres Spektrum verfolgend,<BR>z.T. ein wenig mehr ins Detail gehend – jedoch etwas weniger<BR>kritisch – sind die Beiträge in „Biologische Vielfalt. Wer kontrolliert<BR>die globalen genetischen Ressourcen?“, herausgegeben von<BR>Klaffenböck, Lachkovics und der Südwind Agentur. Der<BR>Schwerpunkt liegt weniger auf Biopiraterie und ihren Folgen als auf<BR>Fragen einer zukünftigen Ernährungssicherung im Spannungsfeld<BR>zwischen „nachhaltigen Nutzungsformen der biologischen Vielfalt<BR>und dem Einsatz moderner Biotechnologien“. In fünf Hauptkapiteln<BR>gehen jeweils mehrere AutorInnen auf den geschichtlichen<BR>Hintergrund (Stichwort: Grüne Revolution), die Kontrolle der<BR>genetischen Ressourcen durch die Vergabe von Patenten, die Rolle<BR>indigener Völker, lokale Alternativen sowie die politisch-<BR>ökonomischen Dimensionen der Aneignung der Natur ein.<BR><BR>Deutlich wird, dass der von Teilen der Herrschenden immer wieder<BR>behauptete Zwang, zur Bekämpfung des Hungers bräuchten „wir“<BR>Bio- und Gentechnologien, ausgemachter Unsinn ist. Deutlich<BR>werden auch die Verbindungen zwischen „Grüner Revolution“ in den<BR>70er Jahren, Schaffung des Patentschutzes auf Leben in den 90ern<BR>und Gentechnolo- gieforcierung heute. Es geht „schlicht“ um die<BR>Vormachtstellung im Kampf um genetische Ressourcen, um<BR>ökonomische Hegemonie der TNC. Obwohl im dritten (Patente) und<BR>vierten Kapitel (Biosafety) die Diskussion über legislative<BR>Regelwerke im Vordergrund steht und diese auch z.T. relativ<BR>detailliert behandelt werden, lassen sich die Beiträge gut lesen und<BR>geben einem das argumentative Rüstzeug an die Hand, sich gegen<BR>die weitere Liberalisierung des Welthandels zu wehren, den Kampf<BR>gegen die Privatisierung des Lebens aufzunehmen – auch und<BR>gerade in Europa und den USA, denn da sitzen die Transnationals<BR>wie Merck, Bayer, Monsanto oder die WTO.<BR><BR>Eine der Stärken beider Bände ist sicherlich, dass in ihnen viele<BR>AutorInnen des Südens zu Wort kommen und diese ihre eigenen<BR>Erfahrungen schildern und Alternativen benennen können. Beide<BR>Bücher sind für EinsteigerInnen in das Thema zu empfehlen, das<BR>Glossar und die Erklärung „wichtiger Biotechnologien“ in dem Band<BR>von Klaffenböck u.a. kann wertvolle Hilfe leisten. Brand/Kalcsics<BR>schlagen nicht nur inhaltlich die Brücke nach Lateinamerika, sondern<BR>auch dadurch, dass drei Artikel nur in Spanisch abgedruckt sind.1<BR><BR>Brand, Ulrich/ Kalcsics, Monika (Hrsg.): Wem gehört die Natur?<BR>Konflikte um genetische Ressourcen in Lateinamerika, Jahrbuch des<BR>Österreichischen Lateinamerika Instituts, Bd. 5, Brandes &amp;<BR>Apsel/Südwind 2002, 174 S., 15.50 Euro. (Bestellung über amazon<BR>siehe Bild)<BR><BR>Klaffenböck, Gertrude/Lachkovics, Eva/Südwind Agentur (Hrsg.)<BR>Biologische Vielfalt. Wer kontrolliert die globalen genetischen<BR>Ressourcen? (hier Bestellung über amazon) Brandes<BR>Apsel/Südwind, 2001, 287 S., 19,90 Euro<BR><BR>1) Wer des Spanischen nicht so mächtig ist – ihm/ihr sei das Buch<BR>dennoch empfohlen – kann zwei der Aufsätze auch in deutscher<BR>Sprache finden, und zwar: der Aufsatz von Brand/Görg ist in<BR>Deutsch abgedruckt in: Das Argument Heft 4/5 2001; der Beitrag<BR>von Ribeiro in: Görg/Brand: Mythen globalen Umweltmanagements,<BR>2002<BR>(s. auch Besprechung in der nächsten ila).<BR><p><br><hr size=1>Do you Yahoo!?<br>
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